"Kriegsbrötchen" oder die "Mobilisierung des Magens"

Bereits im Winter 1914/15 taucht auch in Lippe ein sog. „Kriegsbrötchen“zu 80 gr  auf (so die LP, 13.3.1915), das im März 1915 wieder durch ein 100 gr Brötchen ersetzt wurde. Die Bemerkung in der Zeitung „Wohl keiner wird diesem Sonderlinge eine Träne nachweinen […]“.

In den Herbst- und Wintermonaten 1915/16 und 1916/17 musste auch in Lippe das Brot, wie man sagte, „gestreckt“ werden. Dies war eine der Maßnahmen, die Brotversorgung auch über Engpasssituationen hinaus sicher zu stellen. Als Streckungsmittel wurden Kartoffeln eingesetzt (LP, 7.11.1917). Verarbeitet wurden Frischkartoffeln, da nicht genügend Kohle vorhanden war, um Kartoffelmehl herzustellen, das erst später eingesetzt werden sollte. Offensichtlich fand das Brot wenig Anklang in der Bevölkerung und wurde als schlecht und ungenießbar kritisiert. Dies veranlasste die LWG wiederum zu Gegendarstellungen, denen auch die Lippische Post folgte: „Hier in Lemgo haben wir uns alle über das neue Brot gefreut [… ] Wenn einige Detmolder Bäcker sich nicht die Mühe machen – die Kartoffeln genügend zu reinigen und abzupellen - unsere Lemgoer Bäcker bedienen uns in dieser Beziehung in altgewohnter Weise, bestens – oder wenn einige Detmolder besonders empfindliche Mägen dem K[riegs]-Brot nicht glauben gewachsen zu sein, so ist das wirklich noch lange kein Grund, die ganze Sache in Grund und Boden zu verdammen […] Wir essen hier noch immer besseres Brot, wie viele Teile Deutschlands und vor allen Dingen des Auslandes. Wir haben doch wirklich das beste Teil erwählt gegenüber vielen, vielen, die nach einem Stück Brot hungern, gegenüber denen, die sich auf raschem Vormarsch im Felde, auf einsamer Patrouille usw. oft tagelang mit einer Rübe statt Brot begnügten, wir haben hier in Lippe die Zeiten des letzten Winters und Frühjahrs nicht so mitgemacht, wie viele Leute in den Großstädten usw., denen der liebliche Geruch der Steckrübe aus dem Brote entgegen duftete. Die Nörgelei über das neue Brot ist nur der beste Beweis dafür, daß es im vierten Kriegsjahre noch Leute gibt, die ihren Magen nicht mit mobilisierten.“

Verstöße gegen die Lebensmittelverordnungen wurden gerichtlich verfolgt; die Verfahren in der Presse veröffentlicht (LP, 9.3.1917).