Kritik an der Lippischen Wirtschaftsgemeinschaft

Kritik an der LWG scheint bereits nach ihrer Gründung in Lemgo (und wohl auch an anderen Orten) bestanden zu haben. Bereits am 19. April 1915 wurde in einer Stadtverordnetensitzung der Höchstpreis für Kleie kritisiert. Am 28. April 1915 äußerte sich Stadtverordneter Adam gegen die Erschwernisse der LWG, die diese gegen die Ehefrauen der im Felde befindlichen Bäcker ausüben würde. Im Juli ist sogar der Verbleib Lemgos in der LWG in der Stadtverordnetensitzung vom 13. Juli 1915 umstritten. Mangelnde Kontrolle der Organisation durch die Kommune und die Kosten der LWG waren Argumente gegen den Verbleib. Schließlich fand sich eine Mehrheit gegen den Austritt (vgl. Bericht der Lippischen Post vom 14. Juli 1915). Nicht zuletzt aufgrund dieser Sitzung entspann sich in der Presse ein Wechselspiel zwischen Kritik an der LWG und ihrer Verteidigung.

In einer Stellungnahme der LWG (abgedruckt in der Lippischen Post vom 16. Juli 1915) wurden die einzelnen Kritikpunkte, die in der Stadtverordnetensitzung vom 13.Juli genannt wurden, aufgegriffen und argumentativ begegnet.

Aus einem eingesandten Leserbrief eines Lemgoer Bürgers vom 1. Juli 1915 (Lippische Post, 3. Juli 1915 abgedruckt) ist zu entnehmen, dass die Unterschiede zwischen Versorgungsberechtigten (die eine Brotmarke erhalten) und Selbstversorgern, die keine Brotmarken benötigen, sondern einen festgelegten Teil des vorhandenen Mehlvorrates selbst behalten können, für Streit sorgte, da die Kosten für die Einschätzung der Selbstversorger über die Stadtkasse bezahlt werden sollten. Damit mussten auch die Versorgungsberechtigten für die Selbstversorger mitbezahlen.

Die Kritik ging im Kern auch darauf zurück, dass die Versorgungsberechtigten von der LWG profitierten, da sie auf die Verteilung angewiesen waren und keine nennenswerten, eigenen Vorräte hatten, und die Selbstversorger wenig Interesse an einer Kontrolle durch die LWG haben konnten.

In den Presseartikeln zum 1jährigen (Lippische Post, 1. März 1916) und zum 3jährigen Bestehen (Lippische Post, 22. Februar 1918) der LWG wurde zumeist der Versuch einer Rechtfertigung und Alternativlosigkeit der LWG unternommen, um damit Kritikpunkte zu entkräften.

Im Jahr 1916 kam es unter dem Geschäftsführer Dr. Wilhelm Alter zu einem weiteren Konflikt. Diesmal hatten die Kommunalverbände Brake und Hohenhausen, in Gestalt ihrer Amtsgemeinderäte die Absicht, die LWG zu verlassen und damit de facto aufzulösen. In einer Sitzung der Amtsgemeinderäte in Lemgo am 21. Juli (siehe Bericht Lippische Post vom 22. Juli 1916) verteidigte sich Alter gegen das Vorhaben, die LWG nur dann fortzusetzen, wenn ein Vertrauensmann (Alter bezeichnete diesen als "Spion") Einsicht in die Buchführung der LWG nehmen kann und eine Abrechnung vorgelegt wird. Alter sah darin eine Form des Misstrauensvotums gegen ihn, kündigte daraufhin seinen Rücktritt an und verließ die Sitzung.

Auch hier zeigte sich wieder die Konflitktlinie zwischen der eigentlich unabhängigen LWG, die durch die entsprechenden Ausschüsse kontrolliert werden sollte, und den Kommunen, die aus Sorge vor möglichen Verlusten, mehr Kontrolle über die Geschäftsführung haben wollten.

Ähnlich wie ein Jahr zuvor entwickelte sich ein Für- und Wider in der Presse, wobei am 24. Juli 1916 gleich zwei Berichte zur "Ehrenrettung" des Geschäftsführers Alters in der Lippischen Post veröffentlicht wurden, die sein sonstiges, ehrenamtliches Engagement (Kriegshilfe, Liebessendungen, Jugendwehr, Kriegsinvalidenfürsorge) und die Führung des Lindenhauses als Direktor betonten.

Am 27. Juli 1916 beschloss dann schließlich der Amtsgemeinderat Brake der LWG weiterhin anzugehören. Einen Tag später wurde Alter auf einer allgemeinen Mitgliederversammlung das Vertrauen ausgesprochen.