Ortsvertreter und Vertrauensmänner 2

Neben solchen Schriftlichen Bekanntmachungen gab es offensichtlich immer wieder Versammlungen der Vertrauensmänner, bei denen Erläuterungen von Seiten der städtischen Vertreter gegeben wurden, um das Ausfüllen von Listen und die richtige Verteilung der Marken zu gewährleisten. So auch am 26. September 1917 im Ratskeller (siehe Lippische Post vom 27. September 1917). In diesem Fall sprach der Bürgermeister Möller sogar selbst zu den versammelten Vertrauensmännern, deren Arbeit er Wert schätzte und eine Vergütung im Rahmen der ansonsten ehrenamtlichen Tätigkeit in Aussicht stellte.

Der Leiter der Lemgoer Bürgerschule, August Stapperfenne (geb. 1858, Schulleiter von 1915 bis 1924), war ebenfalls Vertrauensmann und für den Bezirk Nr. 35 in Lemgo zuständig. Aus Zufall haben sich einige Dokumente aus seiner Tätigkeit als Vertrauensmann erhalten (siehe auch oben). Darunter eine großformatige und mehrseitige Liste aus dem ersten Halbjahr 1917 mit Eintragungen zu den dort wohnenden Personen und ihren Zuteilungen. Diesem Dokument kann man entnehmen, dass er für die Straßen Steinweg und Niedernstraße zuständig war. In ähnlicher Weise dürften auch die anderen Bezirke zugeschnitten gewesen sein.

Ein weiterer, Lemgoer Lehrer, der jedoch nicht als Vertrauensmann, sondern als Ortsvertreter der LWG fungierte, war der Bügerschullehrer Fritz Linke (geb. 1874 - gest. 1953), seit 1910/11 an der Bürgerschule. Als er im August 1917 sein Ehrenamt niederlegte, widmete ihm die Lippische Post am 6. August 1917 eine Art Nachruf. Auch in diesem Beitrag wurde die Schwere des Amtes, um das ihn niemand in der Stadt beneidete, betont. Nachfolger Linkes wurde übrigens ein städtischer Beamter, wodurch die Stadt nun selbst die Aufgaben des Ortsvertreters übernahm, vielleicht auch wegen der problematischen Stellung des Ortsvertreters.

In einer Versammlung der Ortsvertreter der LWG wurde die besondere Position dieses Amtes durch den Vorsitzenden der LWG, Künne, skizziert (Lippische Post, 20. September 1917). Demnach war der Ortsvertreter Beamter in Diensten der LWG und nicht den Magistraten nachgeordnet; eine Weisungsbefugnis gab es dementsprechend nicht. Dies war wohl auch mit ein Grund für eine längere Auseinandersetzung in der Gemeinde Brake (siehe dort). "Inniges Zusammenarbeiten zwischen Ortsvertreter und Gemeindebehörde sei zur Erreichung der großen Ziele der L.W.G. im allgemeinen Interesse dringend geboten, persönliche Empfindungen müßten ganz zurücktreten: ein Jeder möge der Sache dienen und unbeirrt von der Parteien Haß und Gunst alle Kraft und sein ganzes Ich für die große vaterländische Sache einsetzen." Die Ortsvertreter wurden "[...] als Träger der Kriegswirtschaft des Kommunalverbandes [...]" angesehen.

Die Vertrauensleute (und in geringerem Maße auch die Ortsvertreter, da diese zahlenmäßig deutlich weniger waren) bildeten das Verbindungsscharnier zu den einzelnen Haushalten. Dies hatten auch die Werber für die Kriegsanleihe erkannt und nutzten so eine Versammlung der Lemgoer Vertrauensmänner im Oktober 1917 (siehe Bericht in der Lippischen Post vom 13.10.1917), um diese für diesen Zweck zu gewinnen. Die Vertrauensmänner erhielten entsprechendes Info- und Werbematerial und sollten dann von Haus zu Haus gehen, um für die Zeichnung der Kriegsanleihe zu werben, als "vaterländischem Hilfsdienst".